Weserrenaissance-Schloss Bevern 2011 

 

Bei den Aquarellen in unserer Ausstellung ist die Vorgehensweise derart, dass er innerhalb eines festgelegten Umrisses, den er durch einen fein gezogenen Bleistiftrahmen markiert, hauchdünn gezogene Pinsellinien mehr oder weniger dicht aneinander legt, bis sie eine Fläche von zartester Farbigkeit ergeben. Diese Fläche wird in einem nächsten Schritt nun erneut von feinen Linienführungen überzogen, jedoch in einer diagonalen Richtung. Die nächste Ebene entsteht. So fährt er mit immer neuen Überlagerungen feinster Pinsellinien fort, immer in derselben Farbe, bis sich die Fläche in von ihm gewünschter Weise verdichtet hat.

Kleinste Zwischenräume und manchmal nur noch punktförmige Lücken bleiben frei. Nah an das Werk herangetreten, ist eine räumliche Tiefe zu erahnen, deren Schichtenaufbau sich im einzelnen nicht mehr rekapitulieren lässt. Aus größerer Entfernung entsteht ein zartes Farbfeld, in dem eine Musterung erkennbar ist, die von der gewählten Vorgehensweise, dem Paradigma, bestimmt wird.

Eine Beschreibung dieser Werkgruppe könnte diese Aquarelle als ein „Arbeiten am äußersten Rand“ bezeichnen, bei dem die Möglichkeiten eines Aquarells zu einer gewissen Grenze geführt werden, an der es nicht mehr weiter geht.

 

Ganz allgemein ist es die Vertiefung in feinste Strukturen, die Hans Delfosse interessieren. „Übersehene Landschaften” nennt er Bereiche des Alltäglichen, für die wir im Allgemeinen keinen Blick haben, vielleicht weil sie in der Regel in dienender Funktion vorhanden sind. Oberflächenstrukturen wie die Rückseiten von Presspappe untersuchen wir eher auf Spinnweben als auf ihre eigene Ästhetik, Asphalt ist zum Begehen und Befahren da, für seine Körnung haben wir im allgemeinen keinen Blick. Es sind unauffällige Strukturen dieser Art, die den Ausgangspunkt zu seinen „Untersuchungen“ bilden.

 

Aus seiner künstlerischen Ästhetik heraus entstehen Arbeiten großer Ruhe, Klarheit, Geschlossenheit. Sie vermitteln auch Assoziationen von Unerreichbarkeit, Verschlossenheit, da sie keine persönlichen oder emotionalen Aspekte vermitteln. Bei manchen Arbeiten lässt sich an die Unerreichbarkeit und Unpersönlichkeit des Weltraums denken.

 

 Elisabeth Kilian – Weserrenaissance-Schloss Bevern 2011

 

 

 

2015 „Picollo“ Städtische Galerie Troisdorf
2015 „Picollo“ Städtische Galerie Troisdorf

 

 

Collagen

 

Von der formalen Strenge der Ritzzeichnungen weiter entfernt erscheinen die spielerischen Collagen, die Humor und poetische Fantasie vermitteln. In dieser Werkgruppe gibt es verschiedene Varianten. Ausschnitte aus Ritzzeichnungen werden neu kombiniert. Die Linie, vorher gerissen, jetzt geschnitten, ist hier als Ereignis besonders präsent. Manchmal erscheinen ganze Partien der Zeichnungen in fensterartigen Ausschnitten, dem weißen Blatt hinterlegt. Schließlich gibt es Collagen, bei denen gezeichnete Partien mit gedruckten Worten oder Sätzen konfrontiert werden. Hierzu verwendet Delfosse Seiten aus alten Büchern, wählt einzelne Worte aus, schneidet das Papier an drei Seiten ein, sodass er die Wortpartie umklappen kann. Nun steht zum Beispiel „Sonne“ oder „Montag“ frei auf der bis dahin leeren Rückseite in einer Position, die sich aus dem Druckbild ergibt und nun zufällig die weitere Komposition bestimmt. Die Begriffe und die Zeichnung treten in einen Dialog, dadurch entsteht ein assoziatives Bedeutungsfeld.

 

Jürgen Röhrig 2007

 

Künstlerforum Bonn, August-Macke-Medaille, 2016

 

 

Leporellos

 

Das zeichnerische Werk von Hans Delfosse hat sich in den vergangenen 15 Jahren von bewegten

raumsprengenden Geometrien hin zu ruhigen und doch vielfältigen Strukturen entwickelt. Das Schwarz-Weiß (oder Braun-Weiß) der Ritzzeichnungen ist der tiefgründigen Farbigkeit der Aquarelle gewichen. Die immer gegenstandslosen Zeichnungen hat der Künstler selbst zu Leporellos gebunden.

Für die Ritzzeichnungen verwendet Delfosse Einladungskarten von Galerien und Museen, er recycelt das Druckpapier des Kunstbetriebs und bearbeitet es mit einer selbst entwickelten, der Radierung verwandten Technik. In den frühen Ritzzeichnungen schweben Kuben, Säulen und andere Gebilde durch einen Raum ohne Schwerkraft, einen grenzenlosen Raum der Vektoren, grafisch strukturiert und voller Rätsel. Die im ausgefalteten Zustand meterlangen Leporellos ermöglichen ein extremes Panorama dieses gebändigten Chaos.

Schrittweise – über weitere Ritzzeichnungen zu den Aquarellen – verschwindet die Dramatik, werden die Bilder ruhiger. Die Pinselzeichnungen mit Aquarellfarben auf Aquarellpapier beschränken sich formal auf die grafischen Grundelemente Punkt (Wassertropfen) und Linie. Durch die vielfachen Lasuren entstehen die farbig-lichten Tiefenräume der Streifenbilder. Delfosse entwickelt hier Rhythmen und klare Strukturen, die in einem der Meditation verwandten Arbeitsprozess entstehen. Für diese Blätter bietet die Form des Leporellos die Möglichkeit, verschiedene Farb-Klänge und strukturelle Muster zusammen zu binden, um Harmonien und Kontraste zu bewirken.

Eine Besonderheit in der Ausstellung sind die Collagen, in denen Delfosse Fragmente seiner Zeichnungen und auch Katalog-Andrucke verbindet, sowie ein Leporello, in dem er die Struktur der Ritzzeichnungen mit der Tuschefeder adaptiert.

Das zeichnerische Werk der „Leporellos“ führt den Betrachter in eine eigen-sinnige Welt von hoher ästhetischer Kultur und offenbart einen ausgeprägten Sinn für das Menschliche, das sich im Maß und im Licht dieser Kunst widerspiegelt.


Jürgen Röhrig 2011

 


 

 

Grafische Gärten

 

Mit Bedacht sind diese Felder angelegt. Hans Delfosse zeichnet präzise und ohne eruptive Gesten. Parzellen werden abgesteckt. Darüber erstrecken sich geometrische Formen, die oft an Fragmente architektonischer Grundrisse erinnern.

Innerhalb der gesetzten, mit dem Lineal gezogenen Grenzen entfaltet sich ein Strichwerk von großer Feinheit: Schraffuren unterschiedlicher Strichstärken und Richtungen, mit dem Messer mehr oder weniger tief ins Papier radiert, gekratzt, freier Hand oder streng parallel. Farben werden freigelegt, die unter dem Schwarz verborgen waren. Es wird Licht, kaltes Licht. Diese an Gärten erinnernden grafischen Gebilde von großer Künstlichkeit sind keine Idyllen. Sie haben eine strenge und irritierende Schönheit. Hans Delfosse erinnern seine Blätter an bearbeitete Radierplatten, an das Bild der metallischen Linien, die klar auf der schwarz eingefärbten Fläche sitzen. Diese Zeichnungen haben eine eigene Qualität, die im Vorgang des Druckens nicht zu erhalten ist. Seine Technik, auf Papier zu radieren, kommt ohne Negativ-Positiv-Umkehr aus. Das ermöglicht es Delfosse, die Präsenz der weißen Zeichnung auf schwarzem Grund zu bewahren. Auf den spielerisch entstandenen Feldern lotet der Zeichner die Unendlichkeit der Variationsmöglichkeiten aus. Er schafft sich eine subjektive Raum- und Zeitstruktur. Beim Betrachten seiner immer verwandten, immer verschiedenen Blätter nimmt man teil an einem Gespräch mit Bildern, das aus einem intensiven Selbstgespräch entsteht.

 

Jürgen Röhrig 2000

 

Museum Burg Wissem, 2007
Museum Burg Wissem, 2007